Hilfstransport nach Budapest - Eine Reise, die Spuren hinterlässt

17.09.2015

Ein Bericht von Maik Disselhoff (Mühlacker Tagblatt):

Zwei Feuerwehrmänner aus Mühlacker fahren Hilfsgüter für Flüchtlinge nach Ungarn und kehren mit bleibenden Eindrücken zurück.

Mühlacker. Dirk Möller ist kein Typ, der nur zuschaut. Menschen in Not zu helfen, ist seine Berufung. Der 29-Jährige ist von Beruf Rettungsassistent beim Deutschen Roten Kreuz (DRK). In seiner Freizeit ist er wie Christoph Pfisterer Teil der Freiwilligen Feuerwehr Mühlacker. Angesichts der Einstellung von Möller war es folgerichtig, dass er nicht lange überlegt und seine Kontakte bei der Feuerwehr spielen lässt, als ein befreundetes Paar eine Transportmöglichkeit für Sachspenden sucht, die Flüchtlingen in Budapest zugute kommen sollen (wir berichteten im Artikel „Eine Wasserstelle für 2000 Menschen“ am 5. September). Der Feuerwehrmann bekommt von der Stadt Mühlacker schnell und unbürokratisch grünes Licht für die Fahrt nach Ungarn. „Ich hatte erst ein bisschen Bammel, dass sich die Stadtverwaltung querstellen könnte, allein wegen der Spritkosten“, blickt Möller zurück. Doch die Verantwortlichen im Rathaus hätten keine Sekunde gezögert.

Möller tauscht mit einem Kollegen vom Rettungsdienst seine zwei anstehenden Nachtschichten, Pfisterer nimmt sich für die 936 Kilometer lange Fahrt nach Budapest zwei Tage Urlaub. Am Sonntag klappert Pfisterer mit dem Wechsellader der Feuerwehr vier Garagen im Enzkreis ab, in denen Sachspenden von Privatleuten lagern. Dirk Möllers Bruder Lars packt mit an, um das in Kartons und Tüten verpackte Material im 30 Kubikmeter fassenden Lkw zu verstauen. Am Montag beginnt die Reise. Bis zum österreichischen Nickelsdorf, das an der ungarischen Grenze liegt, läuft alles reibungslos, dann stehen sie im Stau und kommen nicht weiter, weil der Grenzübergang dort inzwischen geschlossen ist. Nickelsdorf macht auch am Montag wieder überregional Schlagzeilen, weil an diesem Tag in der Gemeinde mit ihren rund 1700 Einwohnern wieder Tausende von Flüchtlingen ankommen. Mit Hilfe der Polizei finden Möller und Pfisterer noch einen Weg nach Ungarn. Was sie während ihrer Fahrt im Grenzgebiet sehen, hinterlässt nachhaltige Eindrücke. „Da sind Familien mit ihren schlafenden Kindern auf dem Arm und lediglich mit Flipflops an den Füßen auf der Autobahn in Richtung Deutschland unterwegs.“ Der Großteil dieser Menschen habe sehr gebeutelt ausgesehen. „Da waren Tausende fragende Gesichter am Straßenrand“, berichtet Möller. Die Bilder gehen dem Duo unter die Haut. Auch die Grenzpolizisten und andere Behördenvertreter seien von der enormen Belastung gezeichnet gewesen. „In Österreich hatte das Rote Kreuz ein riesiges Zelt für die Flüchtlinge aufgebaut, in dem es furchtbar gerochen hat. Angesichts der Zustände habe ich großen Respekt vor den Helfern.“

"Ohne Smartphone wären wir aufgeschmissen gewesen"

Möller und Pfisterer liefern ihre Hilfsgüter wie geplant am Keleti-Bahnhof in Budapest sowie bei einer Sammelstelle in einem kleinen ungarischen Dorf ab. Das Smartphone ist bei ihrer Mission immer wieder ein unentbehrlicher Helfer und Navigator. „Ohne das Ding wären wir aufgeschmissen gewesen“, betont Möller. Nach fünf Stunden Schlaf im Hotel geht es zurück nach Deutschland. „An der ungarisch-österreichischen Grenze hat uns ein Beamter wegen unserer Feuerwehruniform ohne Probleme durchgewunken“, erzählt Möller. Es folgte eine 20 Kilometer lange Fahrt „auf einer Art Geisterautobahn“. Im Grenzgebiet herrscht der Ausnahmezustand, den die beiden Feuerwehrmänner aus Mühlacker live miterleben und der sie nachdenklich stimmt. „Schon auf der Hinfahrt sind wir an der Stelle vorbeigekommen, wo 71 in einem Lkw erstickte Flüchtlinge aufgefunden wurden. Da waren Blumen abgestellt“, sagt Möller. Dass die Hilfe aus dem Enzkreis die Not der flüchtenden Menschen nur in kleinem Maßstab lindern kann, weiß Möller. „Trotzdem bringt die Aktion etwas. Es ist zwar schwer zu schätzen, aber allein mit den Spenden aus unserem Container kann etwa 500 Flüchtlingen zumindest ein klein wenig geholfen werden“, ist der 29-Jährige überzeugt. Mit Blick auf die Flüchtlingskrise fällt Möller eine Analyse der Lage freilich schwer. „Ich behaupte, dass das Problem noch auf unabsehbare Zeit bestehen wird. Die Frage ist, wie wir die Menschen in der EU eingliedern können.“ Er habe auch Verständnis dafür, wenn Staaten wie Ungarn oder Deutschland wegen des Flüchtlingsansturms die Grenzen dichtmachten. „Ob das weiterhilft, ist eine andere Frage.“

 

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